RB Leipzig hat sich sportlich seit einiger Zeit im Oberhaus des deutschen Fußballs etabliert. Doch wie hat sich die Fanszene von „Rasenball“ entwickelt? Wir untersuchen das Stadionerlebnis in der Red Ball Arena im Jahr 2019.
Kurz vorab zu meiner Person und wieso es hier diesen Stadionsbesuchs-Check auf unserem Portal gibt. Zeit meines Lebens bin ich Fan von ostdeutschen Fußballmannschaften. Ich interessiere mich jedoch nicht nur für die sportlichen Dinge auf dem Rasen sondern auch und eigentlich vor allem viel mehr für das Geschehen auf den Rängen. Meine Meinung zu RB Leipzig ist schnell zusammengefasst: Ich mag vor allem Vereine mit einer traditionellen Fanlandschaft. Diese besitzt RB Leipzig nicht und deshalb habe ich für diesen Verein auch nichts übrig. Der Durchmarsch in die 1. Liga gelang den Leipzigern schnell und da in der Bundesliga keine weiteren Ostmannschaften spielen, fehlten mir bislang auch die Berührungspunkte zu RB Leipzig.
Am gestrigen Samstag war ein Besuch in der Leipziger Red Bull Arena jedoch fast unvermeidlich. Wieso? Direkt nebenan in der Arena Leipzig fand ein Leichtathletik-Wettkampf statt, bei dem ich als Fotograf aktiv war. Mit mir selbst hatte ich mal vereinbart, dass ich dieses Stadion, seit dem RB Leipzig dort spielt, nie betreten werde. Ich fühlte mich ein wenig wie ein angehender Vegetarier, dem auf dem Teller ein leckeres Steak präsentiert wird. Leipzig = ein leckeres Steak? Nein, aber Eintracht Frankfurt schon. Jeder, der sich in der Fanlandschaft in Deutschland auskennt, weiß welch großes Potenzial die Frankfurter vor allem auswärts besitzen, welche ja zudem noch mit den Fans von Chemie Leipzig befreundet sind. Als ich zur Mittagspause vom Leichtathletik noch einmal zum Auto ging, konnt ich mich dann nicht mehr beherrschen. Ich entschloss mich also dazu, erstmals ein Spiel von RB Leipzig zu besuchen und möchte hier möglichst neutral meine Eindrücke schildern. Den ersten Dämpfer gab es aber bereits vor dem Spiel im Fanshop direkt vor der Arena. Wie bitte? 50 Euro? Ich will eigentlich kein Sponsor werden … gibts nichts Günstigeres in der Nähe des Gästeblocks? Nein, günstigste Karte 50 Euro. Puh… naja. Ach was solls. Beim Herausholen der Scheine fühlte ich förmlich, wie meine Geldbörse dagegen ankämpfte und versucht hat, sich wieder zu verschließen. Doch letztendlich wanderte das Geld dann doch in der Kasse des Fanladens.
Circa 14:45 Uhr schloss ich mich dann einer Gruppe Frankfurter an, die Karten für den gleichen Block hatten. Eine halbe Stunde zuvor bin ich vergeblich um das Stadion gelaufen, um Sektor C zu finden. Ziemlich freundliche Fans der Heimmannschaft (wenn auch nicht sympathisch) verrieten mir dann noch einen Schleichweg und die hohe Polizeipräsenz ließ erahnen, dass man sich nun in der Nähe des Gästesektors befand. Dann kamen auch schon die Schuttlebusse angefahren. Ausgestiegen ist die aktive Fanszene der Eintracht. Dunkel gekleidet, böse reingeschaut… wie man das eben kennt. Ein paar Schritte durch den Matsch gelaufen und dann heißt es anstellen und rein in das Stadion. Bislang nicht wirklich viel anders, als eben bei anderen Vereinen. Ich muss immer wieder dazusagen: Für viele von euch ist ein Stadionbesuch bei RB Leipzig wahrscheinlich das Normalste der Welt. Jedoch gibt es eben auch Fans, die das Geschehen rund um RB Leipzig kritisch beobachten und eben zu denen zähle ich halt auch. Ich versuche in den folgenden Zeilen möglichst neutral zu bleiben.
Beim Hinauflaufen der Stufen bemerkte ich, dass ich hier bereits nach kurzer Zeit alles kritisch hinterfrage und das es wohl besser wäre, wenn ich fortan alle Vorurteile vergesse und einfach mal schaue, wie das Stadionerlebnis für mich sein wird. Ich fange mit einem für mich kritischen Punkt an, den andere vielleicht auch positiv wahrnehmen. An jedem Tribüneneingang stehen gefühlt fünf Studenten, die einem irgendein Prospekt in die Hand geben wollen oder auf ihr Projekt aufmerksam machen wollen oder was auch immer. Mich hat es einfach nur genervt, denn offensichtlich haben die Leute wenig Bezug zum Stadion. Wo Block 39/1 ist, konnte mir von denen nämlich auch keiner sagen. Und augenscheinlich gut angetrunkenen Frankfurtern brauch man auch keine Mannschaftsaufstellung der Leipziger in die Hand drücken. Naja, auch die werden noch dazulernen. So! Jetzt aber der erste positive Punkt in meinem Artikel. Das Stadion. Die Red Bull Arena ist das größte Stadion in Ostdeutschland und für mich auch das beeindruckenste. Im Block dann erstmal den Platz gewechselt. Ich saß nämlich im Unterrang relativ weit oben und die Frankfurter im Gästeblock waren im Oberrang untergebracht. Unten waren aber noch ein paar Plätze frei und somit hatte ich dann gute Sicht auf beide Fankurven. Schätzungsweise 7-8000 Frankfurter waren in Leipzig. Die aktive Fanszene war wie schon erwähnt im Oberrang aktiv, hauptsächlich Umlandfans im Unterrang. Ich war im Nachbarblock, dieser war gemischt mit Leipzig und Frankfurtfans. Während Frankfurt damit beschäftig war, die Zaunfahnen zu befestigen, sah ich im ganzen restlichen Stadion nur vier Fahnen der Leipziger Fanszene. Der Grund: Die aktiven Fans von RB Leipzig befinden sich derzeit im Boykott und verzichteten deshalb auf optisches Material. Sie wünschen sich wohl mehr Mitspracherecht und Freiheiten im Stadion. Das man bei RB Leipzig seine Fanideale nicht so ausleben kann, wie bei anderen Vereinen, hätte den Jungs und Mädels eigentlich vorher klar sein müssen. Irgendwie erhält man so oder so kaum Beachtung von den restlichen Fans. So gab es Ende 2018 auch schon mal kleinere Scharmützel im Stadion und auch der ein oder andere Bierbecher landet regelmäßig im Bereich der Ultras.
Vor dem Anpfiff spielte man in der Red Bull Arena noch die Hymne der Eintracht. Während die Ultras darauf mit Stinkefinger reagierten, trellerten die Fans im Unterrang fleißig mit. In dieser Hinsicht ist man sich offenbar uneinig. Ich selber mag das auch nicht unbedingt, wenn der Heimverein die Auswärtshymne spielt. Es folgt nun der nächste Pluspunkt. Die Hymne der Leipziger wurde anschließend gespielt und es wurde dabei sogar richtig laut. Entgegen meiner Erwartung machte dabei größtenteils das komplette Stadion mit und auch beim Schal-Wedeln stiegen viele mit ein. Das Spiel begann und jetzt machte sich erstmals auch der Frankfurter Anhang per „Hurra, Hurra die Frankfurter sind da“ bemerkbar. Sehr laut, hohe Mitmachquote. Genau das was ich von den Frankfurtern erwartet habe. Im Nachbarblock formierten sich gleichzeitig oberkörperfrei die ersten Leute, die wild über den Zaun pöbelten. Jedoch erhielten diese im angrenzten Heimblock nur Beifall von dort sitzenden Frankfurten oder angewiderte Blicke von Leipziger Fans. Gleichgesinnte suchten die Frankfurter im Stadion vergebens, saßen in den Heimbereichen doch hauptsächlich Familienväter mit Kindern. Ich hätte nun auch gern von den ersten zehn Minuten des Spiels berichtet. Jedoch hab ich nichts gesehen, weil einer dieser nervigen Ottos sein Bier direkt vor meiner Nase an fünf offensichtliche Gelegenheitsbesucher verkaufen musste. Das geht meiner Ansicht nach überhaupt nicht. Ich bin im Stadion, um mir das Spiel anzuschauen und wenn ich saufen will, lauf ich halt die Treppen wieder hoch und stelle mich am Stand an. So sehe ich das zumindest und ich war auch nicht der Einzige, der davon genervt war. Diese Typen standen wirklich minutenlang vor einem und hauten so schnell nicht mehr ab. Ich möchte hier mal noch anmerken, dass man diese Bier-Verkauferei von der Tribüne auch in anderen deutschen Stadien erlebt und ich das allgemein nicht gut finde.
Ich nutzte die Zeit, um mich umzudrehen und das Geschehen im Gästeblock zu beobachten. Neben mir saßen auch ein paar emotionale Frankfurter die bei jeder, echt jeder Gelegenheit aufgesprungen sind und gegen den Schiedsrichter gepöbelt haben. „Hallo, Sie da vorn. Können Sie sich bitte hinsetzen? Wir sehen nichts“, kam jedoch immer gleich das Gemeckere von oben. Allgemein konnte man schon feststellen, dass die Leipziger Fans eher „konsumierend“ das Spiel geschaut haben, wenig am Drumherum interessiert waren und halt auch wenn, dann ausschließlich positive Äußerungen von sich gegeben haben. Die Frankfurter dagegen oft am Aufspringen, Gestikulieren und Schiedsrichter-Pöbeln. Keine Bewertung, halt nur eine Feststellung. Ist halt auch ein komplett unterschiedliches Publikum.
Wie ist eigentlich die Stimmung im Heimbereich? So gut wie nicht vorhanden. Im Fanblock waren die Ultras zwar bemüht, mit ihren 100-150 Leuten Stimmung zu verbreiten, jedoch bei 40.000 Zuschauern ein vergebener Versuch. Wenn mal was rüberschwappte, dann war es der gleiche 0815-Einheitsbrei, der vor zehn Jahren schon in jeder anderen Kurve aussortiert wurde. Pro Halbzeit wurde es jeweils einmal etwas lauter, nämlich dann, wenn auch die Nachbarblöcke beim „Auf gehts Leipziger Jungs“ mit einstiegen. Dennoch schwach von der Heimseite. Noch weniger, als ich erwartet habe. Fußballerisch bekommt man hier natürlich einiges geboten. Kein Vergleich zur zweiten oder dritten Liga. Die Tricks von Poulsen und Co aus nächster Nähe zu beobachten, das hat schon was und da kann ich natürlich auch jeden Vati verstehen, der hier mit seinen Kids am Start ist. Da muss man auch nichts für Fankultur übrig haben. Das lohnt sich schon, das Geschehen auf dem Rasen live zu sehen und jeder Stadiongänger weiß, dass das nicht mit Fernsehschauen vergleichbar ist. Allgemein ist die Stimmung im Stadion und alles was sich außerhalb des Stadions abspielt, sehr familienfreundlich. Das muss man schon zugeben. Hier macht RB Leipzig vieles richtig.
Jedoch war das Spiel insgesamt dann schon ziemlich langweilig. Halt ein typisches 0:0. In solchen Fällen bin ich dann froh, wenn dann wenigstens auf den Rängen die Post abgeht. Die Frankfurter, unterstützt von vielen Fans von Chemie Leipzig, verzichteten auf den Einsatz von Pyrotechnik. Bin eigentlich großer Fan von Pyro, jedoch sitzen in den angrenzenden Blöcken wirklich so viele Familien und kleine Kinder, so dass es sicherlich angebracht ist, die großen Pyroshows in anderen Stadien zu zeigen. Stattdessen präsentierte man lautes und kreatives Gesangsgut. Guter und solider Auftritt der Frankfurter Fanszene.
Das Spiel endete bekannter Weise 0:0 und für mich blieben also die absoluten Highlights auf dem Rasen und auch auf der Tribüne aus.
Mein Fazit:
Für mich ist und bleibt RB Leipzig einfach absolut unsympatisch und einfach alles, was sich hier abspielt, hat nichts mit den Werten zu tun, die ich als Fußballfan vertrete. Jedoch muss ich auch dazusagen, dass ich es nicht ganz so schlimm fand, wie ich es erwartet habe. Fans von RB Leipzig sind eben auch nur Fans und wieso sollen diese ihr Fan-Dasein nicht bei ihrem Verein nach Wahl ausleben dürfen. Zusammengefasst sind meine Pluspunkte, dass es wirklich familienfreundlich ist und gerade für die Kleinen sehr viel geboten wird. Die Red Bull Arena ist zudem halt auch ein sehr schönes Stadion. Was mir nicht gefällt, ist die wirkliche schwache Stimmung (auch wenn mir RB-Fans sicherlich sagen werden, dass die Stimmung sonst viel besser ist usw.) und außerdem hab ich das Gefühl, dass hier vieles künstlich wirkt und einigen Mitarbeitern und vielleicht auch dem ein oder anderen Fan der Bezug zum Verein fehlt.
Noch bin ich nicht am Ende. Ich möchte noch meinen Kollegen Martin zu Wort kommen lassen. Martin gehört auch zum Team Sportstadt und ist genauso lange Fußballfan wie ich. Martin, wie ist deine Sichtweise zu RB Leipzig?
„Das Jugendleistungszentrum zieht die Kinder nach Leipzig. Die es nicht bei RB Leipzig schaffen, kommen eventuell den anderen Vereinen der Region zu gute. Sicherlich ein positver Fakt. Aus Fansicht: Es gibt keine Mitgliedschaft im Verein (bzw. nur schwer) und somit keine Gestaltungsmöglichkeiten für die Fans. Ein Unding. Für normale „Fußball-Konsumenten“ ist es aber natürlich dennoch toll, Bundesliga im Osten schauen zu können. Andererseits haben diese meiner Meinung nach null Identifikation mit der Region. RB Leipzig, bzw. das Konzept könnte genauso auch woanders in Deutschland existierten“ – Martin.
Martin vertritt eine ähnliche Sichtweise und vor allem Letztgenanntes sehe ich genauso. Letztendlich muss jeder selber wissen, wie für ihn das ideale Stadion-Erlebnis aussieht. Der eine findet das, was er möchte, bei Dynamo Dresden, Hansa Rostock, 1. FC Magdeburg oder beim Halleschen FC und andere eben bei RB Leipzig. Das die Hütte bei RB Leipzig voll ist, hat für mich auf jeden Fall nachvollziehbare Gründe.
Ansonsten vielen Dank fürs Lesen.
Storchi
[…] [Team Sportstadt] Als Ostdeutscher Fußballfan: Lohnt sich ein Stadionbesuch bei RB Leipzig?: https://www.team-sportstadt.de/2019/02/10/als-ostdeutscher-fussballfan-lohnt-sich-ein-stadionbesuch-… […]